Tscherniheim - ein Glasbläserdorf und Kinder im Dutzend

@Werner Drobesch, Geschichtsverein Kärnten, Tscherniheim Spurensuche nach dem verschwundenen Ort, 2021

 

Die Glasmacher wohnten abgeschieden, 1236 m hoch, im Winter eingeschneit, im Sommer von Sturzbächen gescheucht, zusammengepfercht in ihren Holzhütten, aus denen viele unterernährte Kinder purzelten. Was schwach war, starb weg. Was blieb, wurde in dem kleinen Kirchlein getauft. Die Toten schleppte man weit weg von der Siedlung. (im Ort kein Begräbnisrecht, nach Stockenboi auf den Bichl, stundenlanger Fußmarsch über 14 km)

 

Der Wald war alles. Auch das Glas hing von seinem Holz ab. Darum hieß es auch Waldglas.

Die letzten Greise, die noch die Hütten sahen, wie der Gabriel, Glaser, der Kilzer-Model, Friedrich, Höllgruber, erzählten die Geschichten von Tscherniheim.

 

@Helmut Prasch, Waldglas aus Oberkärnten 1621 - 1879 und Chronik Stockenboi

 

Die Umgebung von Tscherniheim galt als unwirtlich und unfreundlich. Im Sommer zogen bisweilen heftige Gewitter über die Berge und der Tscherniheimer Bach ging über; und im Winter war die Gegend tief eingeschneit. Bären und Wölfe bildeten eine stetige Lebensbedrohung für die Einwohner, die sich ausschließlich aus ökonomischen Überlegungen hier angesiedelt hatten.

 

Fast 250 Jahre lang wurde hier Glas produziert, Höhepunkt um 1830, ab 1850 ging es abwärts mit der Produktion. 1860 standen im Dorf noch 25 Häuser, ein Kirchlein, Gasthaus und Schulhaus. In einem Seelenstandsregister 1864 werden hier 130 Katholiken verzeichnet.

 

1879 wurde die Fabrik zu Tscherniheim eingestellt, fluchtartig verließen die Arbeiter den Ort. 1880 wurden nur mehr 12 Einwohner gezählt. Wenige Jahre später war das Dorf völlig verwaist.

 

Zugezogene Glasbläserfamilien lebten über Generationen hier. Namen wie Blüml, Kern, Schaffer, Wachter und Friedrich finden sich in den Kirchenbüchern. Die Friedrichs kamen aus der Glashütte Hörbrunn bei Hopfgarten im Brixental, entstammten einem der ältesten Glasmachergeschlechter der Welt. Glasfachleute zugezogene Spezialisten aus katholischen Gegenden unter Mitarbeit einheimischer Hilfskräfte, wie Steller, Einbinderinnen, Holzknechte, Pottasche-Brenner, Glasträger.

 

Darunter protestantische Familien wie die Familie Draxl. 1810 wurde beim Genös in Gatschach die Tochter Elisabeth geboren. Ihre unehelichen Töchter samt Kindern werden in Naggl beim Rader, in der Auerkeusche heute Mitterer und in Tscherniheim und Weissenbach beim Köck geboren.

 

Eine der Töchter geboren 1842, auch Elisabeth genannt, blieb ihr Leben lang in dieser Gegend. Unverheiratet, Arbeiterin in Tscherniheim und Mutter 12 Kinder. Mit dem Vater der Kinder dem Holzknecht und Tagelöhner Georg Draxl, ein Kranersohn aus Oberdorf, lebte sie zusammen. 1881 wurde noch ihr Sohn Johann in Tscherniheim geboren. Da war die Glasfabrik schon Geschichte. Ihre letzten Lebensjahre verbrachten Elisabeth und Georg Draxl in Weissenbach 4 als Inwohner beim Köck. In den Jahren 1893 und 1900 starben sie dort im Alter von 49 und 58 Jahren.

 

Von ihren 12 Kindern wurden nicht alle erwachsen. 2 Töchter blieben in Stockenboi, wo sie um 1900 ledige Kinder bekamen. Tochter Maria wurde Magd beim Zöhrer in Techendorf, starb dort 1947 unverheiratet. Sohn Christian arbeitete als Sägearbeiter in Spittal, Georg wurde Schuster und Johann Oberbauarbeiter in Fresach.

 

 

Diese Kinder wurden in ärmsten Verhältnissen in einem Glasbläserdorf geboren und es gelang ihnen doch ein rechtschaffener Lebensweg. 

©Fian Heidi

 

Quelle:  Michael Skihar -  Alte Ansichten vom Weißensee in Kärnten

 

Tscherniheim im Jahre 1920   Bild: Geschichtsverein Kärnten
Tscherniheim im Jahre 1920 Bild: Geschichtsverein Kärnten

Tscherniheim heute   Bild: Geschichtsverein Kärnten
Tscherniheim heute Bild: Geschichtsverein Kärnten