Fremdenverkehr
Voraussetzung für die Entwicklung des Fremdenverkehrs in unserer hiefür vorzüglichst geeigneten Landschaft war ihre Näherbringung an eine Großverkehrsader. Die Eröffnung der Eisenbahnlinie Villach—Franzensfeste im Jahre 1871 als direkte Verbindung mit der
damaligen Reichshauptstadt Wien stellt daher den Beginn des Fremdenverkehrs auf dem viertgrößten See Kärntens dar, wobei gerade unsere engsten Landsleute lange Zeit hindurch nicht als seine ‚‚Entdecker”’ gelten durften.
Die Mehrzahl der Erholungssuchenden kam aus den großen Städten der Donaumonarchie und gehörte meist dem Kreise der Professoren, Arzte und hohen Militärs an. Waren 1890 nur 16 Gäste festzustellen, so gab es dank der unermüdlichen Werbung des damaligen Oberlehrers A. Lerch (Gedenktafel bei der ev. Kirche) um die Jahrhundertwende deren schon 150.
Zu diesem Zeitpunkt war die Nachfrage bereits größer als die Unterbringungsmöglichkeit.
1914 konnten bereits bei 150 Gäste gezählt werden, wobei es sich meist um den Ferienaufenthalt von immer wiederkehrenden Familien handelte.
Um diese Zeit gab es bereits einen „‚Förderungsverein” für die Belange der Fremdenverkehrswerbung, Wegherstellungen, Landungsstege, Schutzhütten, Bootshütten u. v. a. Seine Mitglieder setzten sich aus Einheimischen und Gästen zusammen. Sein fruchtbrin-
gendes Wirken lag anfänglich in den bewährten Händen von Prof. Dr. Riedl.
Ihm folgte Feldmarschalleutnant von Drachsel, der in initiativer und selbstloser Weise die Entwicklung seines Heimattales förderte. Gab es anfangs nur zwei Gasthäuser, so zeigte das letzte Friedensjahr bereits eine Verdoppelung; ein oder das andere Bauernhaus hatte bereits aufgestockt, um die Gäste unterzubringen.
Der erste Weltkrieg, die Einbeziehung unseres Tales in das engere Kriegsgebiet und die Folgen des Unterganges der österreichisch-ungarischen Monarchie bewirkten eine vollständige Stilllegung des Fremdenverkehrs bis 1925. Die nun folgende Periode wird durch eine gänzliche Verlagerung des Fremdenverkehrs sowohl nach Urlaubsart als auch nach dem Kreis der Erholungssuchenden gekennzeichnet.
Waren es früher langandauernde Familienaufenthalte, so sind es nun kurzfristige, auf wenige Familienmitglieder beschränkte Urlaube die das althergebrachte Gästebild zur Gänze verändern.
Nun erkennt auch der Einheimische nach Abklingen von gewissen Konjunkturerscheinungen nach dem Kriege langsam die Vorteile dieses gut anlaufenden Wirtschaftszweiges. Viele Häuser erhalten statt des hölzernen Aufbaues einen gemauerten Stock; überall entsteht dadurch wirklicher Gästebettenraum, die ersten Hotels werden errichtet.
Durch geschickte Werbung wird das Ausland interessiert, so daß außer der überwiegenden Mehrheit an Inlandsgästen auch Gäste aus Deutschland und den Nachfolgestaaten aufscheinen.
War 1938 ein stetes Ansteigen bis 2502 Gäste mit 35.314 Übernachtungen zu verzeichnen, so trat mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges ein überausharter Rückschlag ein, der bis 1950 anhielt.
Der nun folgende, allgemein ansteigende Fremdenstrom brachte großen Fremdenverkehrsgemeinden mit althergebrachter Entwicklung und nur zu verbessernden Einrichtungen sowie mit langer Saison gegenüber dem Weißensee große Vorsprünge.
Diesem drohenden Wirtschaftskampf konnte nur mit einer wahren Herausstellung und einer den örtlichen Eigenheiten entsprechenden tatkräftigen und wirksamen Förderung
aller Sonderheiten dieses „höchsten Badesees der Alpen” entgegengetreten werden.
Als Leitsatz des damaligen FV-Referenten gilt von nun an: Die Aufschließung dieser klimatisch hervorragenden und schönen Bergseelandschaft dem wählerischen, wirklich Ruhe
und Erholung suchenden Gast unter Wahrung der vorhandenen Naturbelassenheit bei Anpassung der inneren Einrichtungen im Sinne moderner Wohnkultur, wobei aus Gründen einer Wirtschaftlichkeit eine Verlängerung der bisherigen Saison von zwei Monaten
erreicht werden muß.
Die Richtigkeit dieser trotz aller Schwierigkeiten beharrlich und zäh verfolgten Erkenntnis findet ihre Bestätigung in nachstehenden Ergebnisziffern des Fremdenverkehrsamtes WeiBensee, das seit 1946 für alle Belange des Fremdenverkehrs zuständig ist.
Fremdenverkehrsbewegung:
Jahr Anzahl d. Gäste Auslandsbeteiligung in % Zahl d. Nächtigungen
1937 2.502 35.314
1950 4.508 14 68.844
1957 9.289* 69 136.376
1960 14.255 70 189.674
1962 16.674 82 231.343
1967 22.555 83 313.435
1979 33.449 80 352.766
1984 38.735 85 410.916
* Erste erfolgreiche Vor- und Nachsaison. Ende Mai — Anfang Oktober.
Gästebetten: 1967 — 2.880, 1979 — 3.790, 1984 — 3.883
Die Gemeinde hat 1956 durch Verwirklichung einer modernen Wasserversorgung und ebensolchen Straßenbeleuchtung die Voraussetzungen für einen neuzeitlichen Fremdenverkehr geschaffen.
Das Verkehrsamt (FV-Ref. Drachsel)schuf 1950—1955 u. v. a. ein auf über 140 km erweitertes neu markiertes Wegnetz, das mit 280 übersichtlichen Wegweisertafeln versehen wurde. (Nach Meinung des Publikums vorbildlich!) In den Ortschaften wurden Ortsweiser aufgestellt und ein 4 km langer Spazierweg entlang dem Seeufer von Techendorf nach Praditz und ein Gehweg entlang der Landstraße nach Neusach angelegt, der dem Fußgänger ein ungestörtes Gehen gewährleistet.
Die unter Bürgermeister Hans Hoffmann erbaute Gemeinde-Hochquellen-Wasserleitung, die Gemeinde-Kanalisation (Bgm. Alfred Knaller) brachten die Wiederherstellung der Trinkwas-
serqualität des Weißensees, die Errichtung eines modernen Sportplatzes, des Arzthauses, des Feuerwehr-Rüsthauses u. a. m. waren bedeutsame Großtaten der öffentlichen Hand unter schwersten finanziellen Belastungen zur Förderung des Fremdenverkehrs.
Ein verständnisvoller Aufbau der privaten Fremdenverkehrserfordernisse gingen Hand in Hand. Modernst ausgestattete Hotels und Gasthöfe, auf Selbstbedienung umgestaltete Kaufläden und ein bestausgestattetes Strandbad mit Campingplatz, Tennisplätzen usw. seien daraus erwähnt.
Die weitere Entwicklung ist der Schaffung der bedauerlich so lang verzögerten Wintersaison gewidmet, wofür gerade der Weißensee mit seiner schneesicheren Hochlage, einem ausgezeichneten und sonnenscheinreichen Winterklima die Vorbedingungen für alle Wintersportarten aufweist. Die 1967 eröffnete Bergbahn gab den Auftakt hiezu.
Ebenso beharrlich muß an dem Gedanken festgehalten werden: Nur Qualität, nicht Quantität, keine unnötige Bettenvermehrung und einen damit einleitenden Massentourismus, der die einmaligen und daher sehr gesuchten Werte des Weißensees auf Nimmerwiedersehen zerstören würde.
Ist es doch die Erkenntnis der meisten von ihren Ausflügen zu anderen Seen zurückkehrenden Gäste: „Sehr schöne gepflegte Ferienorte, aber kein Weißensee mit seiner Landschaft herrlichen Luft und Ruhe!”
Das Festhalten an der Naturbelassenheit des äußeren Bildes, die innere Aufschließung für die neuzeitlichen, der Erholung dienenden Lebensbedürfnisse, frei vom gesellschaftlichen Zwang überspitzter Modeeinrichtungen, ist die Parole für eine günstige Weiterentwicklung des Fremdenverkehrs am Weißensee.
Auszug aus "Der Weißensee und seine Umgebung" von Friedrich Drachsel