Salige Frauen in Neusach
Im zerklüfteten Felsgewände hinter Neusach bemerkt man eine Öffnung, das Dolamezzenloch, wie diese zimmergroße Höhle im Volksmund heißt. Da sollen vorzeiten die Saligen oder wilden Frauen gehaust haben. Sie waren den Leuten im Tal freundlich gesinnt, strickten den Jungfrauen Strümpfe, die freilich wie Glut an den Füßen brannten, sobald sie die Ehre verscherzt hatten und halfen den Leuten bei der Arbeit, jedoch nur in der Stille der Nacht, wenn sie von niemandem belauscht wurden.
„Stell nur ein Stötzl Milch in die Furchen“, sagte der Stempferbauer zu seinem Sohn, „und das Weizenfeld wird bald abgeschnitten sein.“ Und wirklich kamen bei Nacht die Saligen Frauen, und schnell fielen die Halme unter ihren Sicheln. Als aber der neugierige Bursche sich ihnen näherte, gingen sie auf und davon; nur eine blieb zurück, bis die letzte Garbe geschnitten war.
Der Bursche hielt sie fest und führte sie trotz ihres Sträubens in das Haus. Er vermählte sich mit ihr, und sie blieb in seinem Haus.
„Du kannst mir alles antun“, sagte sie, „nur mit der ‚nabigen‘ (verkehrten) Hand darfst du mich nicht schlagen.
Mehrere Jahre lebten sie glücklich. Da geschah es, dass er sie einmal aus Versehen mit der „nabichen“ Hand an der Brust berührte. Augenblicklich verließ sie das Haus und war nirgends mehr zu finden. Nur samstags kam sie, die Kinder zu „strahlen“ (kämmen), später aber, als die Kinder groß geworden, blieb sie ganz aus und kehrte nicht wieder.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten
Der Goldsucher am Weißensee
Mit Beginn des Sommers kam alle Jahre ein Männlein zum Weißensee und mietete beim Moserwirt zu Techendorf ein Zimmer. Frühmorgens stand es auf, versorgte sich mit einer Jause und durchstreifte dann die Gegend. Man konnte von ihm weder erfahren, woher es stamme, noch wie es heiße.
Eines Sommers kam er wie gewöhnlich angereist und besuchte noch am selben Tage die Neusacher Alm. Ein Knecht vom Hause hätte mitgehen sollen, weil er sich aber verspätete, ging der Italiener voraus und wurde erst auf der Neusacher Alm von diesem eingeholt. Er hatte eben ein viereckiges Rasenstück ausgestochen, füllte einen Sack mit roter Erde und bot auch dem hinzukommenden Knechte solche an. Doch da dieser einen Sack Mehl zur Almhütte zu tragen hatte, lehnte er das Geschenk mit den Worten ab, er werde es auf dem Rückwege mitnehmen, und schritt weiter. Als er wiederkam, fand er weder den ausgestochenen Rasen noch rote Erde. Zu Hause erzählte er sein Erlebnis, und man konnte sich nicht erklären, was der Welsche mit der Erde beginne.
Nun vergingen viele Jahre, ohne dass man von dem Männlein hörte. Der Moserwirt, der reiselustig war und gerne fremde Länder besuchte, kam in diesem Sommer nach Paris. Als er dort auf einem großen Platze stand und die vielen schönen Häuser bewunderte, hörte er sich auf einmal angerufen und sah sich um. Da erblickte er das bekannte Männlein, welches von dem Fenster eines palastartigen Hauses herabsah. Es rief ihn hinauf und lud ihn ein, für einige Tage bei ihm als Gast zu bleiben. Der Moserwirt nahm die Einladung freudig an und ließ sich die prachtvoll eingerichtete Wohnung sowie die Getreidevorratskammern des Männleins zeigen. „Alle diese Häuser gehören mir," sagte es, als sie vor die Haustüre traten; „und das Geld zum Baue habe ich mir vom Weißensee geholt."
Beim Mittagessen ließ der Fremde den Wirt in einen Spiegel schauen, und dieser sah darin zu seinem nicht geringen Staunen, wie seine Frau in der Küche stand und eben Knödel kochte.
Als der Moserwirt wieder daheim war, fing er an, nach Gold zu graben und soll ein reicher Mann geworden sein. Das Vorhandensein von alten Bergwerken in der Gegend bezeugen übrigens die Namen „Silbergraben", „Goldschupfen" und „Knappensteig".
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten